Karl
Veitschegger (13. 09. 1993) 800 Seiten Glaubenskunde Kritische Würdigung des seit 1992 gültigen Katechismus der katholischen Kirche
Sammelnd bewahrend Sprache und Ausdrucksweise sind
traditionell kirchlich gehalten. Man will bewusst Bewährtes bieten. Wer im
Katechismus nach neuen, noch nicht offiziell anerkannten theologischen
Gedanken sucht, sucht am falschen Ort. Im Bild gesagt: Der Katechismus ist
ein Reiseführer (durch das Land des katholischen Glaubens), der sich bewusst
auf die bereits bekannten Wege und Straßen verlässt, neue Wege aber eher
meidet. In diesem Sinne ist er ein konservatives Werk, sammelnd und
bewahrend, nicht vorwärtsdrängend. Er bestreitet allerdings nicht, dass es
eine legitime Weiterentfaltung der kirchlichen Lehre geben muss. Die
Theologen werden daher aufgefordert, „wissenschaftliche Vorarbeit“ zu
leisten, damit „das Urteil der Kirche reife“ (119). Wer seinen Glauben
krampfhaft an Formeln hängen will, wird erinnert: „Wir glauben nicht an
Formeln, sondern an die Wirklichkeiten, die diese ausdrücken“ (170). Und:
„Unsere menschlichen Worte reichen nie an das Mysterium Gottes heran“ (42). Helles Gottesbild Freundlich und hell wird von Gott
gesprochen: „Mag auch der Mensch Gott vergessen und zurückweisen, hört Gott
doch nicht auf, jeden Menschen zu rufen, damit dieser ihn suche und dadurch
lebe und sein Glück finde“ (30). Der Heilige Geist „macht die Menschen bereit
[...], um sie zu Christus zu ziehen“ (737). Denn im Zentrum des Christentums
stehen nicht geschriebene Worte, sondern eine Person: Jesus Christus. Er
selbst ist das lebendige Wort Gottes. Wenn der Katechismus in diesem
Zusammenhang betont, dass das Christentum „nicht eine Buchreligion ist“
(108), relativiert er sich damit auch selbst. Sture
Katechismus-Fundamentalisten wird das freilich nicht freuen. Auch der Wunsch
nach Privatoffenbarungen und Visionen, der in manchen katholischen Kreisen
stark ausgeprägt ist, wird äußerst kritisch beleuchtet (65). Schön wird die
Menschlichkeit Jesu zur Sprache gebracht (z.B. 423, 472, 531). Klar ist auch:
„Von der Krippe bis zum Kreuz teilt Jesus das Leben der Armen“ (Nr. 544).
Noch nie hat ein Katechismus so vehement die soziale Gerechtigkeit
eingefordert wie dieser ( 2402ff). Einladende Kirche Und die Kirche? Was ist ihre Aufgabe? Sie
ist „das sichtbare Projekt der Liebe Gottes zur Menschheit“ (Nr. 776). Auch
das Kirchengebäude soll deutlich machen, dass die Kirche „das weit offen stehende einladende Haus aller Kinder Gottes“ ist
(1186). Stark untermauert wird das Hirtenamt, die Hierarchie. Allerdings:
„Christus, der große Prophet erfüllt sein prophetisches Amt nicht durch die
Hierarchie, sondern auch durch Laien“ (904), die „nicht nur zur Kirche
gehören, sondern die Kirche sind“ (899). Die sieben Sakramente werden
ausführlich dargelegt, ihre Schönheit und Wichtigkeit für unser Heil
unterstrichen, aber auch hinzugefügt: „Er [Gott] selbst ist nicht an seine
Sakramente gebunden“ (1257). Gott kann immer und überall wirken. Und so ist
er auch in den nichtchristlichen Religionen den Menschen nahe, weil „er will,
dass alle Menschen gerettet werden“ (843). Problematisches Im Moralteil werden – wie schon in früheren Katechismen – viele
einzelne Handlungen als „schwere Sünde“ klassifiziert. Allerdings wird auch
immer wieder auf mildernde Umstände hingewiesen (1735, 1793, 1860, 1861, auch
2352), um klar zu machen, dass nicht jeder, der äußerlich eine „schwere
Sünde“ begeht, auch vor Gott wirklich ein Todsünder ist. Auffällt, dass
künstliche Empfängnisverhütung zwar abgelehnt, aber nicht unter die
„schweren“ Sünden gegen Keuschheit (2396) und Ehe (2400) gezählt wird. Hier
schließt der Katechismus an Paul VI. an, der bereits 1968 in der Enzyklika Humanae vitae in
Abweichung von seinen Vorgängern darauf verzichtet hat, künstliche Verhütung
als „schwere Sünde“ zu bezeichnen. Auch in anderen Fragen (z.B. Beurteilung
der Folter) wird die Lehrentwicklung der Kirche sichtbar (Nr. 2298). Unumstößlich
gilt: „Dem sicheren Urteil seines Gewissens muss der Mensch stets Folge
leisten“ (Nr. 1790). Kostbares In den Abschnitten über das christliche Gebet
kann der aufmerksame Leser echte Kostbarkeiten für das geistliche Leben
finden. Kein Glaubensbuch kann uns das Glauben und
das Leben abnehmen. Auch dieser Katechismus nicht. Wenn er direkt oder
indirekt dazu beiträgt, dass Menschen sich wieder mehr um ein gediegenes
Glaubenswissen bemühen, ist ihm schon viel gelungen. So bleibt zu hoffen,
dass er nicht nur einigen (katholischen) Buchverlagen Gewinn bringt, sondern
dem ganzen Volk Gottes. Karl
Veitschegger (13.09.1993) Die
wichtigsten Änderungen in der deutschen Neuauflage 2003 aufgrund der Editio typica latina Zurück zur Startseite von Karl
Veitschegger Zurück
zum Menü „Artikel, Referate, Skizzen
...“
|